Remshalden • 2023
Umbauen heißt auch umdenken: Alte Gebäude mit neuem Leben zu füllen und ihre Potenziale neu zu entfalten, erfordert nicht nur Offenheit für Veränderungen sowie verantwortungsbewusstes Handeln, sondern auch kreative Lösungen, mit denen Architektur zukunftsfähig bleibt und gleichzeitig wertvolle Ressourcen geschont werden. Umbauen legt spannende (Ge-)Schichten frei. Auch beim Umbau des Hauses CH in Remshalden-Grunbach ist es dem Stuttgarter Studio für Architektur & Gestaltung SEEBALD. gelungen, bestehende Strukturen voll auszuschöpfen, neue Raumkonfigurationen zu schaffen, die den Bedürfnissen der Bewohnenden und der Umwelt gleichermaßen gerecht werden, und so die Lebensdauer des 1922 errichteten Einfamilienhauses zu verlängern.
Bauen mit Sinn und Bestand
In den letzten 100 Jahren hat der 3,5-geschossige Bau bereits einige Veränderungen erfahren: 1936 wurde die Tenne angebaut, 1960 das Dach ausgebaut, immer mal wieder nachgebessert und nun erneut erweitert. Dabei wurden diese verschiedenen Bauabschnitte sowohl durch eine neue einheitliche Fassadengestaltung zusammengefasst als auch im Inneren in Szene gesetzt: Bei den Umbauarbeiten wurde das Gebäude bis auf den Gewölbekeller komplett entkernt und das bestehende Fachwerk freigelegt. Zur besseren Erschließung wurde die Bestandstreppe um 180 Grad gedreht und so Reminiszenzen an die Vergangenheit sichtbar gemacht. Um zudem einen bodengleichen Durchgang vom Wohnhaus in die Tenne zu ermöglichen und eine Galerieebene einziehen zu können, wurde diese um 1,20 Meter abgesenkt und steht der Bauherrschaft nun als separat zugänglicher Verkostungsraum des familieneigenen Weinguts zur Verfügung. So sind mehrere Nutzungen – vom Wohnen über das Arbeiten bis hin zum (Re-)Präsentieren – im wahrsten Wortsinn unter einem alten Ziegeldach vereint.
Im Einklang mit der Natur
Bei der Wahl der Materialien war den Architekt:innen wichtig, die Identität der jungen Familie, die sich seit etwa sechs Jahren im naturverbundenen Weinbau einen Namen macht, widerzuspiegeln – intuitiv, unverfälscht und nachhaltig. Und so prägen nun vor allem natürliche Werkstoffe die Räume: Während sich die vorvergraute Massivholzfassade aus Weißtanne wie ein warmer Mantel um das Gebäude legt, finden sich auch im Innenraum Holzelemente in (Einbau-)Möbeln, Treppen, Fenstern und natürlich im raumdominierenden Fachwerk wieder. Auch der Anbau, in dem sich heute das Wohnzimmer befindet, ist ebenfalls als Holzkonstruktion ausgeführt, das Gebäude mineralisch gedämmt. Im Kontrast zu diesen natürlichen Materialien stehen wiederum die Bauteile aus unbehandeltem Schwarzstahl, wie etwa die skulpturalen Spindeltreppen, die sich wie Korkenzieher nach unten drehen oder die Stele mit dem ausgelaserten Logo des Weinguts, die für eine unverwechselbare Adressbildung sorgt.
Und obwohl der Bestand betagt ist, konnte das neue Gebäude mit einem innovativen Technologie- und Energiekonzept zu einem nachhaltigen Smart Home aufgerüstet werden: Durch die Brennstoffzellenheizung werden Wärme und Elektrizität erzeugt, mit der Zisterne wird Regenwasser gespeichert sowie das Grundwasser geschont und der Naturpool im Garten über einen speziellen Biofilter gereinigt.
Heute schon an morgen denken
Auch in Zukunft soll das Wohnhaus anpassungsfähig bleiben. Denn nicht alle Räume sind vollständig ausgebaut und lassen sich problemlos auf kommende Bedürfnisse abstimmen – egal, ob im Dachgeschoss weitere Zimmer benötigt werden oder die Tenne doch zum Studio bzw. zur Einliegerwohnung wird. Mit nur wenigen architektonischen Eingriffen bleibt das Gebäude mit seinen rund 300 Quadratmetern Fläche so „multifunktional“, wie es in den vergangenen 100 Jahren war.